Predigt zum
Erntedankfest in Seifhennersdorf (Pfr. Wenzel) |
Gestern feierte
die Kirche das Fest des hl. Franz von Assisi. Seine Geschichte mit Gott und
auch die Geschichte seines Ordens ist untrennbar
verbunden mit der Kapelle Portiuncula. Assisi liegt
auf dem Berg. Die Kapelle liegt unweit davon in der Ebene davor. Zur Zeit des
hl. Franz war sie am Verfallen. Dort sagte Jesus zu Franz: Baue mein Haus
wieder auf. Franz nahm es wörtlich und richtete mit seinen Bemühungen die
Kapelle wieder her. Doch Franz musste erkennen, dass Jesus das offenbar
anders gemeint hatte. |
In der Zeit von
Franziskus war die Kirche reich und mächtig, sie hatte einen funktionierenden
Apparat. Offenbar war sie nach Jesus damit am Verfallen. |
Wir feiern Erntedank.
Wir feiern es in allen Gemeinden, katholischen und evangelischen, in unserem
Land und in vielen anderen Ländern, eventuell nicht am gleichen Termin, doch
das tut nichts. Meist feiern wir es in hergebrachter Form. Wer einen Garten
hat bringt Obst, Kartoffeln, Gemüse und Kürbisse. Wer keinen Garten hat,
kauft etwas im Supermarkt, andere Lebensmittelgeschäfte gibt es nicht mehr,
und bringt es als seine Gabe. Die Erntedankgaben werden als Schmuck vor dem
Altar aufgebaut. Die Gaben werden gesegnet. Wir danken Gott. Wir singen
Loblieder und bringen unsere Gaben dorthin, wo sie eventuell ein klein wenig
helfen, das Haushaltbudget zu entlasten. So weit, so gut. Es ist wohl auch
immer ein Ausdruck echter Dankbarkeit an Gott trotz der Tatsache, dass wir unsere
Lebensmittel kaufen, dass bei uns die Landwirtschaft funktioniert und trotz
des begonnenen Klimawandels. Bei aller Tradition unseres Erntedanks, die wir
gern beibehalten, wissen wir alle, dass sich in den letzten Jahren viel
geändert hat. Wer Lebensmittel kauft, weiß, dass sie deutlich teuerer
geworden sind – bei uns seit etwa einem Jahr. In anderen Ländern sind sie 25%
teuerer, besonders in den armen Ländern 50%, teilweise bis zu 80%. Die
Hilfswerke bekommen nur das gleiche Geld meist nur zwei Drittel der
Nahrungsmittel. Wer sich bisher eventuell zwei Mahlzeiten leisten konnte am
Tag, muss jetzt meist mit einer auskommen. Bisher wurde die Zahl der
Menschen, die hungern müssen, meist mit 800 Millionen angegeben. Es wird
gesagt: wenn weltweit die Nahrungsmittel 1% teurer werden, so bedeutet das,
dass 15 bis 20 Millionen Menschen mehr hungern müssen. Der Klimawandel führt
vor allem in den tropischen Ländern zu mehr Trockenheit. Lebensmittel sind
Objekt der Geldspekulation geworden. Vor allem der Anbau von Pflanzen, aus
denen Kraftstoff für Autos gewonnen wird: Zuckerrohr, Mais, Raps und
andere, auf Flächen, die ständig zunehmen und dem Anbau von Nahrungsmitteln
entzogen werden. Das und noch andere Ursachen führen dazu, dass Lebensmittel
teuerer werden. Wenn wir volle Tanks haben wollen, führt das besonders
für andere dazu, dass sie leere Teller haben. Die kirchlichen Hilfswerke
werden nicht arbeitslos. Wenn Kirche nicht verfallen soll, müssen ihre
Hilfswerke auch weiterhin wirksam helfen können. - Erntedank
ist ein Fest. |
Was wir noch in
diesem Monat begehen, ist kein Fest. Aber wir begehen es als Feier: dass wir
am Ende dieses Monats die Kirche Sankt Antonius in Seifhennersdorf aufgeben
müssen. Das ist ein Anlass zur Trauer. Für die meisten Seifhennersdorfer
Katholiken sind damit noch ganz andere Gefühle und Empfindungen verbunden.
Ich brauche sie nicht aufzuzählen oder zu beschreiben, ich will sie nicht
hervorrufen, nähren oder steigern. Doch sie zu verschweigen wäre unrecht.
Viele in der Seifhennersdorfer Gemeinde haben unzählige Stunden sich
eingesetzt. Am stärksten in der Zeit von Pfarrer Schneider, als es darum
ging, aus einem verfallenen Gebäude unter den Bedingungen der Kirche in der
Zeit des Sozialismus einen würdigen Gottesdienstraum, eine Wohnung und Räume
für die Gemeinde zu schaffen. Es gibt wohl keinen Priester, der für
Seifhennersdorf tätig war, der sich nicht um Bauprobleme gekümmert hat in
Seifhennersdorf oder in Eibau. Mir ist vor allem in Erinnerung, wie wir um
die Kirche herum Gerüst gebaut haben, wie die rückseitige Giebelwand neu
hochgezogen wurde und wie wir vor der Primiz von Peter Domaschke das Innere
erneuert haben. Das sind nicht alle Bauerinnerungen. Doch hervorheben möchte
ich das immer hervorragende Baufrühstück, um das sich zuallermeist Frau
Domaschke gekümmert hat. Die Seifhennersdorfer Gemeinde hat eine würdige
Kirche, für die sie sich eingesetzt hat wie wenige andere Gemeinden in
unserem Bistum. Für Jahrzehnte war sie der Ort der Geborgenheit, des
Gebetes und vor allem der Eucharistiefeier. Zwei Feste hebe ich hervor aus
der Zeit, in der ich für Seifhennersdorf zuständig war: die Weihe der Orgel
und die Primiz von Peter Domaschke. Dann noch eine Notiz, die ich meinem
Kalender fand: vor 20 Jahren, 1988, hatte Seifhennersdorf 116
Kirchenbesucher, Eibau 34 und Spitzkunnersdorf 16. - Nun wird die
Kirche Ende dieses Monats aufgegeben. Die Gründe sind bekannt: fremdes
Verschulden und auch eigene Baufehler. Die Schäden könnten nur mit einem
Aufwand, der zur jetzigen Zeit nicht geleistet werden kann, behoben werden.
Es mag sein, dass damit ein Gebäude verfällt. Das muss nicht bedeuten, dass
Kirche verfällt, auch nicht in Seifhennersdorf. |
In unserem
Gedächtnis bleibt diese Kirche als Gebäude: es ist der Ort, wo Gott in
Christus an uns gehandelt hat, an dem uns das Evangelium verkündet wurde, wo
die Sakramente gespendet wurden, an dem die Eucharistie gefeiert wurde und wo
wir gebetet haben. Und viele andere Erinnerungen bleiben uns kostbar. Das
hilft, dass Kirche in uns nicht verfällt. Seelsorge ist keine Zählsorge. So
sind die für 1988 angegebenen Zahlen vielleicht sogar zweitrangig. Sie
belegen einen zahlenmäßigen Rückgang. Aber die Wahrheit ist ja nicht abhängig
von der Zahl ihrer Anhänger. Wichtig ist, dass unser Glaube bleibt der Grund
und das Ziel unseres Lebens, an dem wir mit unserem Herzen hängen, wo immer
wir sind. Dann wird Kirche in uns nicht verfallen. Und das dritte ist die
Mobilität, sie wird verstanden als Beweglichkeit durch das Gaspedal. Wenn der
Glaube in unserem Herzen das bleibt, was Gott uns gegeben hat. Dann
entwickeln wir die Mobilität, dann suchen und finden wir die Räume, in denen
Gott uns schenkt, was wir in dieser Kirche erfahren und erleben durften.
Dann wird Kirche in uns nicht verfallen. Amen. |