RKW 2011 – Raupe im Paradies – R.I.P.

 

Samstag, 16. Juli 2011
(Sächsische Zeitung)

Hütte, Raupe, Paradies

Von Irmela Hennig

 

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Aus Porenbeton bastelten die Kinder Herzen.

Feiner weißer Staub liegt auf dem Zeltboden. Rutscht in Sandalen. Klebt an Kinderhosen und Kinder-T-Shirts. Und wird immer mehr, weil acht, neun Jungen und Mädchen Steine aus Porenbeton (Ytong) mit Hämmerchen, Feilen und Sägen bearbeiten. Jonathans Hose war einmal orange. Jetzt ist sie eingepudert vom Ytongstaub. Müsste eigentlich gewaschen werden, sagt der 16-Jährige und grinst. „Aber drei Tage geht’s noch.“ Der Oderwitzer, der in Dresden aufs Kapellknaben-Internat geht, ist einer von 25 Jugendlichen, die eine Ferienwoche lang nicht faulenzen, sondern helfen. In der Oberlausitz, in Leutersdorf, auf dem weitläufigen Kirchhof. 52 Kinder von ganz klein bis Teenager betreuen sie hier. Teilnehmer der Religiösen Kinderwoche, die alle nur kurz „RKW“ nennen. Und die in einer Zeltstadt aus bunten Planen hinter der Kirche morgens beginnt und abends – beim Kichern und Erzählen im Schlafsack – lange nicht so recht aufhört.

Jonathan feilt ein Herz, seit einer halben Stunde bearbeitet er den Steinklotz unterm großen Zeltdach. Jetzt aber brauchen Martha (13) und Salomé (9) seine Hilfe. Sägen soll er, einen großen Steinblock kleiner machen. Jonathan setzt die einen Meter lange Schrotsäge an, links greift er zu, rechts Martha. Dann geht es wie Butter.

Kreuze und Engel basteln

Überall im Schatten der knapp 150 Jahre alten katholischen Kirche von Leutersdorf wird gewerkelt und getobt. Kinder springen Saltos auf dem Trampolin, sitzen plappernd auf der Wiese oder verzieren im benachbarten Aloys-Scholze-Haus kleine kupferne Kreuze und Engel mit Emaille. Wolfgang Feige aus Eibau betreut die Bastelei – ehrenamtlich. Hat sich das Hobby schon in den 70er Jahren angeeignet und lobt die Kreativität der Kinder. Die sitzen auf bunten Stühlen an kniehohen Tischen, streuen farbiges Pulver auf die winzigen Formen und schauen mit neugierigen Blicken zum Ofen, wo aus Pulver bei 800 Grad die glänzend-bunte Farbschicht wird. An der Tür hängt der Plan für den Donnerstag, geschrieben mit rotem Filzstift auf weißem Papier. 10.30 Uhr Gruppenarbeit steht dort oder auch 20.30 Uhr Nachtgebet. Und heute für den Nachmittag „Basteln“. Daneben hängt als buntes Wirrwarr von Namen und Spitznamen der Abwaschplan. Ein bisschen helfen sie schon mit, die kleinen Teilnehmer aus der Leutersdorfer Kirchgemeinde und der Oberlausitz.

Und Spaß haben sie, sagt Salomé, die aus Schirgiswalde kommt. Dabei ist das Thema dieser Tage ein ernstes. Auch wenn es sich hinter dem harmlosen Namen „Raupe im Paradies“ verbirgt. Um den Tod geht es, um Abschiede im Leben. Aber eben auch um das, was danach kommt. Worauf die Kinder hoffen dürfen – auf das Paradies, den Himmel. „Da wo wir dann alle wiedersehen“, erklärt ein Mädchen. Die Kinderwoche, die Tradition hat, ist eben auch Glaubensschule. Lange schon. In den 50er Jahren ist sie entstanden, die RKW. Als es in der Schule nicht möglich war, Religion zu lehren, erzählt Pfarrer Bertram Wolf. Bis heute gibt es sie jedes Jahr in fast jeder katholischen Pfarrei im Osten. Kinder der Gemeinde und der Region machen zusammen Urlaub, reden über Gott, singen, spielen. Und bauen – vielleicht – ein Baumhaus.

 

 

Beschreibung: http://www.sz-online.de/bilder/2011_07/gr_2813705_2.jpg

Yeah – Leutersdorfs Kinder haben nun ein Baumhaus. Es steht auf dem Gelände der katholischen Kirchgemeinde und lädt zum Klettern ein. Die Kinder haben bei einer Religiösen Kinderwoche in den vergangenen Tagen selbst daran mitgebaut. Fotos: Matthias Weber

Bau mit Sponsorenhilfe


In Leutersdorf haben sie gebaut. Mit finanzieller Hilfe der Gemeinde Leutersdorf, vom Oberlausitz - Niederschlesischen Sparkassenverband, von Spendern. Und mit Kindern, die dicke grüne Raupen, Hände, Blumen und Regenbogen auf die Holzlatten gemalt haben. Die umgeben jetzt, quaderförmig, einen Lindenstamm. Ein rot-weißes Band stoppt am frühen Donnerstagnachmittag noch den Zugang. Nur gucken können die Kinder. Und warten. Bis ein Trompetensignal sie zusammenruft. Bis Pfarrer Bertram Wolf den Segen gesprochen, Weihwasser versprengt, Weihrauch verbreitet hat. Dann nehmen sie’s in Beschlag. Steigen die rote Holzleiter hoch, drehen eine Runde in reichlich zwei Metern Höhe. Und klettern an einer Holzwand wieder hinunter. Bertram Wolf freut sich: „Schön, dass es gleich so angenommen wird.“